Bis auf die Bequemlichkeit, bereits nahe an der Kammlinie der Karpaten zu starten spricht allerdings in meinen Augen nichts für den Zugang über den Transfăgărăşean. Da es eben so leicht ist, hinzufahren, waren endlos viele Autos dort, es gab Stau und Gedrängel, Lärm und Menschenmassen ohne Ende, eben nichts, was zu einer Gebirgswanderung passt. Noch bis auf den ersten Kamm verfolgte uns Lärm und anhaltendes Gehupe - ich mußte wehmütig an die kleinen Gemsenrudel denken, die ich 1973 dort gesehen hatte...
Als wir auf den Hauptkamm gelangten, den wir nach Westen, Richtung Moldovean - Gipfel verfolgten, wurde der Wind immer schneidender und die Temperatur nahm weiter ab, so daß ich bald meine Hände kaum mehr spüren konnte. Und leider hatte ich ebenso wie meine Tochter keine Handschuhe wie auch keine Mütze mit, nur ein großer warmer Wollschal war mit, den wir uns abwechseln um die Hände legten, um wieder etwas Gefühl in den Fingern zu bekommen. Auch der Ausblick war nicht das was man sonst oft in den Bergen zu sehen bekommt, der Himmel war recht wolken - verhangen und wir konnten nur über 1-2 Kämme hinwegsehen.
Teile des Weges waren gut gangbar, kleinere Abschnitte verlangten mehr Achtsamkeit, bei eingen davon waren wir froh, dass wir nicht den selben Weg zurückkehren wollten.
Schließlich kamen wir an den Călţun - See, der in einer Senke unter der Kammlinie liegt. Am Seeufer hatte sich eine Gruppe Bergwanderer in winzigen Bergzelten eingerichtet, nahe daneben stand ein futuristisch anmutendes Bauwerk, der neue "refugiu", ein vom "Salvamont Făgăraş erbauter Notunterstand, in dem man laut Hausordnung ab 18.00 einkehren durfte. Wir trafen darin zunächst eine größere Gruppe junger Leute, die aber bald Richtung Bâlea weiterzogen. Der Unterstand wirkte recht stabil und hatte außer zahlreichen Pritschenbetten auf 2 Etagen (Spanplatten, ohne Matratzen) hoch gelegene Fenster sowie durch Solarpaneele gespeiste Akkus, mit denen man ein elektrisches Licht einschalten konnte, sowie an einigen USB - Anschlüssen Handys aufladen konnte.
Vermutlich konnte man den Raum mit 8 - 15 Wanderern kuschelig warm bekommen, da aber die Zahl der Übernachtenden recht ungewiß war und man in Corona - Zeiten lieber nicht mit vielen Unbekannten den Schlafraum teilen mag, entschlossen wir uns weiterzuziehen, abwohl der Weg über den Negoiu zur Negoiu - Hütte uns zumindest in den späten Abend bringen würde. (Wir waren erst etwa um 14.00 am Bâlea - See gastartet). Außerdem braucht meine Tochter sehr viel Wärme zum Schlafen und mag es Morgens, länger zu schlafen, wofür es im Raum dunkel sein sollte...
Den Negoiu - Gipfel erreichten wir schließlich nach einem anstrengenden Aufstieg, hatten aber kaum Aussicht, da sich immer mehr Nebel unter uns zusammenbraute. Entäuscht waren wir auch, weil trotz steten Wanderns die auf den Wegzeigern angegebenen Zeiten bis zu unserer Berghütte kaum kürzer wurden


Sebastian